Stiftung Chance für das kritisch kranke Kind

Trainieren an der Puppe, damit es im Notfall klappt

Was für Piloten Routine ist, ist für medizinisches Personal hierzulande noch fast unbekannt: Simulationstraining. Am Kinderspital soll sich rund um SimBaby Lou ein neuer Standard etablieren, der den Patienten zugutekommt.

 Übung macht den und die Meister*in. Auch in der Medizin. In kritischen Akutsituationen und angesichts komplexer diagnostischer und therapeutischer Entscheidungswege ist es wichtig, dass Ärzte und Pflegende optimal zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit kann in realistischen Simulationen an Puppen gelernt und trainiert werden, wobei sich verschiedene klinische Situationen inszenieren lassen. Entscheidender Vorteil des Simulationstrainings ist, dass nicht in der Theorie, sondern «am Patienten» gelernt wird, ohne dass Menschen zu Schaden kommen. Neben medizinischem Fachwissen werden nicht-technische Fähigkeiten* vermittelt wie Teamwork, Kommunikation, Aufgabenkoordination. Crisis Ressource Management (CRM) ist in der Luftfahrt längst ein etablierter Standard, welcher auch in der Medizin umgesetzt werden sollte. CRM standardisiert Verhaltensweisen, welche die Sicherheit in kritischen Situationen erhöhen.

* Non-Technical Skills: Die Fähigkeit, das, was getan werden muss, auch unter den ungünstigsten und unübersichtlichsten Bedingungen eines medizinischen Notfalls im Team in effektive Massnahmen umzusetzen. (David Gaba, Stanford)

Kinderarzt und Intensivist Francis Ulmer und Intensivpflegefachfrau Babett Chorschew haben das Konzept für die medizinische Simulation am Kinderspital Zürich erarbeitet und etabliert. Anfangs mussten die beiden geduldig Überzeugungsarbeit leisten, denn in der Schweiz es ist nicht üblich, dass praxisorientierte Weiterbildung interdisziplinär betrieben wird. Bisher fanden Aus- und Weiterbildungen nach Berufsgruppen getrennt statt. Pflegende lernten und trainierten mit Pflegenden, Ärzte mit Ärzten.

Simulationszentrum

2012 wurde SimBaby Lou am Kinderspital Zürich angeschafft. Die hochspezialisierte, computergesteuerte Säuglingspuppe hat eine realistische Anatomie und «verfügt» über zahlreiche Körperfunktionen wie Atmung, Herz-Kreislauf. Lou kann schreien, husten, lallen und vieles mehr. Seither haben Francis Ulmer und Babett Chorschew bereits über 40 Simulationen mit mehr als 200 Teilnehmenden durchgeführt. Zwei Durchgänge pro Monat reichen jedoch nicht aus, damit alle Mitarbeitenden der Abteilungen Neonatologie und Intensivstation pro Jahr auf die gewünschten zwei bis drei Trainings kommen. Die beiden Initianten engagieren sich dafür, dass Simulationstrainings standardmässig am Kinderspital Zürich eingeführt werden.

Weniger Fehler dank Simulation

Beim simulierten Szenario wird eine kritische Situation nachgestellt, wie sie im Klinikalltag des Kispi auf Intensivpflegestation oder Neonatologie vorkommt. Das Team, das aus einem Oberarzt, einem Assistenzarzt, weiteren Spezialisten, beispielsweise aus der Kardiologie, und fünf bis sechs Pflegenden besteht, muss eine komplexe Krise meistern, welche das Simulationsbaby computergesteuert durchlebt. SimBaby Lou «reagiert» dabei lebensecht mit Vitalzeichen. Das Team muss die Parameter richtig wahrnehmen, deuten und entsprechend reagieren.

Jedes Simulationstraining wird mit Video aufgezeichnet und anschliessend besprochen. Dabei, so die Initianten, lernen die Teilnehmenden allein schon dadurch, dass sie sich selbst beobachten und selbstreflektierend Schlüsse ziehen. Das Feedback auf die Trainings ist ausserordentlich gut. Geschätzt wird der Gewinn an Sicherheit, der sich in echten Notsituationen positiv auswirkt. Der Aufwand, diese Simulationstrainings zu organisieren, ist für Francis Ulmer und Babett Chorschew jedoch gross. Die Trainings können vorerst nur an Randzeiten durchgeführt werden. Das Verständnis für die Notwendigkeit dieses Erfahrungsgewinns hat sich noch nicht durchgesetzt.

Sicherheitskultur etablieren 

Ausserdem fehlen die Mittel. Die Anschaffung weiterer Simulationspuppen für das Kinderspital Zürich ist kostspielig und durch die Trainings fallen Mitarbeitende aus, deren Stunden kompensiert werden müssen. In den USA wird auf keiner Ausbildungsstufe auf Simulationstrainings verzichtet. Dort hat man erkannt, dass Simulationstrainings die Qualitäts- und Sicherheitsstandards eines Spitals erhöhen. Jeder patientenbezogene Arbeits- und Lernprozess, der sich mit einer gut simulierten Alternative erlernen lässt, sollte nicht mehr am Patienten geübt werden. Simulation hat als Lernkonzept auch eine ethische Komponente. Zur Steigerung der Patientensicherheit stellt sie ein ideales didaktisches Instrument dar. Aus Sicht der kleinen Patientinnen und Patienten und ihrer Angehörigen würde es also Sinn machen, dass Simulationstrainings fest im Budget und Alltag des Kinderspitals Zürich verankert, die kontinuierliche Durchführung der Simulationstrainings als anerkannte Weiterbildungsform etabliert würde.

Dream teams are made, not born!

Die Stiftung Chance für das kritisch kranke Kind finanziert 10% von Dr. Franis Ulmers 20 Prozentpensum am Kinderspital für die Organisation, Planung und Durchführung der Simulationstrainings. Das Pensum seiner Kollegin Babett Chorschews wird durch das Spital selbst finanziert.



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